Wir trauern um den Gründer der Sudanarchäologischen Gesellschaft zu Berlin e.V. und langjährigen Leiter der Grabungen der Humboldt-Universität in Musawwarat es-Sufra, Prof. Dr. Steffen Wenig (1934–2022). Mit ihm verliert die Sudanarchäologie einen ihrer prominentesten Wissenschaftler. Lesen Sie hier weiter…
Ein Nachruf von A. Lohwasser und P. Wolf:
Steffen Wenig (15.07.1934 – 11.01.2022) studierte 1950–1959 an der Humboldt-Universität zu Berlin Ägyptologie bei Fritz Hintze und Afrikanistik bei Ernst Dammann. Schon als Student durfte er 1958 an der Butana-Expedition der Humboldt-Universität unter der Leitung von Fritz Hintze im Sudan teilnehmen, begann seine wissenschaftliche Kariere jedoch zunächst im Ägyptischen Museum in Berlin. Dort wurde er 1967 Kustos und 1971 zum stellvertretenden Direktor ernannt. Er forschte und publizierte zur altägyptischen Kunst, insbesondere der Amarna-Zeit, seine Dissertation („Untersuchungen zur Ikonographie der Darstellungen der meroitischen Königsfamilie und zu Fragen der Chronologie des Reiches von Meroe“) und seine Habilitation („Die Darstellungen am Löwentempel von Musawwarat es-Sufra, Untersuchungen zur Ikonographie, Inhalt und Komposition der Reliefs“) lagen jedoch auf dem Gebiet der Sudanarchäologie und Meroitistik. Die Ausstellung „Africa in Antiquity“ (1978 in Brooklyn) wurde von ihm konzipiert; der Katalog dazu ist heute noch ein Standardwerk. 1978 wechselte Steffen Wenig an die Humboldt-Universität und wurde dort 1984 außerordentlicher Professor und schließlich 1993 zum ordentlichen Professor ernannt. Zwischen 1985 und 1990 wirkte er außerdem mehrmals als Gastprofessor an der Universität Wien.
Steffen Wenigs vielfältige und sehr intensive wissenschaftlichen Interessen gingen weit über die Ägyptologie hinaus. An der Humboldt-Universität spezialisierte er sich auf die Sudanarchäologie und Meroitistik. Neben der Organisation von internationalen Konferenzen, der Herausgeberschaft der Reihe „Meroitica“ und mehrerer zusammenfassender Werke über den antiken Sudan und vielen individuellen Publikationen zur Geschichte, Kultur, Architektur und Bildkunst des antiken Sudan, initiierte und leitete er umfangreiche Feldforschungen: zunächst in Kooperation mit der Universität Khartoum und dem Roemer-Pelizaeus-Museum Hildesheim in der antiken Hauptstadt Meroe und seit 1994 in Fortführung der Lizenz von Fritz Hintze in Musawwarat es Sufra, wo er sich schon damals intensiv für die Erhaltung der dortigen Altertümer einsetzte – unter anderem durch die Gründung der „Sudanarchäologischen Gesellschaft zu Berlin e.V.“.
Neben seinen Aktivitäten in Musawwarat es Sufra, wo er noch viele Jahre über seinen Ruhestand 1999 hinaus tätig war, interessierte ihn seit Mitte der 90er Jahre zunehmend die archäologische Erforschung des nördlichen Hornes von Afrika. Er leitete einen archäologischen Survey in Qohaito (Eritrea), initiierte Ausgrabungen in Wuqro (Äthiopien), organisierte und publizierte mehrere internationale Konferenzen in Erinnerung an Enno Littmann und die von diesem geleitete Expedition nach Aksum. Auch im Ruhestand blieb Steffen Wenig der Wissenschaft und insbesondere dem Kulturerhalt treu. Er gründete die Berliner „Gesellschaft zur Förderung von Museen in Äthiopien e.V.“, der er einige Jahre vorstand, und veröffentlichte mehrere wissenschaftliche Beiträge zur Kunst und Kultur des noch wenig erforschten abessinischen Hochlandes. Sein wissenschaftliches Werk und seine vielfältigen öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten sowie sein Bemühen um Kulturerhalt werden auch in Zukunft die Archäologie Nordostafrikas prägen.
Mit Steffen Wenig verliert die Ägyptologie, die Sudanarchäologie und die Archäologie des nördlichen Hornes von Afrika einen bedeutenden und vor allem äußerst tatkräftigen Wissenschaftler. Er war ein streitlustiger Gesprächspartner, bei seinen Studenten und Kollegen sehr beliebt und wird von allen, die ihn kannten, schmerzlich vermisst werden. Wissenschaftler in aller Welt trauern um einen geachteten Kollegen und hochgeschätzten Freund.
Angelika Lohwasser, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Pawel Wolf, Deutsches Archäologisches Institut